«Landesverräter»-Vorpremiere mit Kino SRG in Einsiedeln: Ein himmeltrauriges Schicksal in himmeltraurigen Zeiten

Der Film Landesverräter von Michael Krummenacher, der an der Vorpremiere von Kino SRG in der Einsiedler Cineboxx präsentiert wurde, verarbeitet auf eigenwillige, aber gelungene Weise ein dunkles Kapitel Schweizer Geschichte.

Juni 1940: Gerade haben Hitlers Armeen den grössten Teil Skandinaviens, die Benelux-Staaten und Frankreich überrannt. In der Schweiz, die in den Augen der Achsenmächte strategisch wichtig ist, herrscht Panik. Diese wird zwar nicht öffentlich sichtbar, doch in Wirklichkeit arrangieren sich die höchsten Kreise der Schweizer Politik und Wirtschaft mit Hitler, um nicht ins Visier zu geraten und weiterhin Geschäfte mit dem Reich abzuschliessen.

In diesen Tagen kommt der junge Landstreicher Ernst Schrämli (Dimitri Krebs) nach St. Gallen. Aus einer armen Bauernfamilie stammend, ist er ohne Mutter und mit alkoholkrankem Vater aufgewachsen, später in Heimen versorgt und unter Vormundschaft gestellt worden. Ohne je eine echte Chance erhalten zu haben, ist er bereits in jeder Hinsicht gescheitert. Der Teufelskreis, in dem Schrämli steckt, erinnert an das Elend, das Friedrich Glauser in seinen Romanen der Dreissigerjahre beschreibt.

Und fortan dreht sich alles für den jungen Mann um Träume, was ihn zur leichten Beute des Nazis August Schmid (Fabian Hinrichs) macht, der ihm verspricht, ihn in Berlin zum Startenor zu machen. Der naive Schweizer ist bereit, für den Mitarbeiter der Deutschen Vertretung in St. Gallen Militärgeheimnisse zu verraten. Zuerst stiehlt er Granaten aus dem Munitionsdepot seiner Kompanie, mit der Zeit geht er eine sexuelle Beziehung mit Schmid ein. Gleichzeitig verliebt er sich in die Fabrikantentochter Gerti Zanelli (Luna Wedler), lässt sie jedoch sitzen, als sie schwanger wird. Alles ist Flucht – raus aus dem Elend, raus aus der Verantwortung. Das Ende findet er in der Verhaftung als Landesverräter, seiner Verurteilung und Hinrichtung im November 1942. Noch versucht Schrämli Vormund Roman Graf (Stefan Gubser), Polizeikommandant von St. Gallen, den Verurteilten zu einem Gnadengesuch zu überreden, doch dieser entscheidet sich für das „freie“ Leben durch den Tod – an seinem sozialen Subjekt wird ein Exempel statuiert.

Gesang als zentrales Element

Das jüngste Werk von Michael Krummenacher (Drehbuch und Regie) ist erschütternd, auch wenn sein Inhalt bereits 1976 durch den dokumentarischen Skandalfilm Die Erschiessung des Landesverräters Ernst S. von Richard Dindo und Niklaus Meienberg bekannt wurde. Es ist ein starkes Stück mit starken Akteuren gegen das Vergessen – aber unangenehm ehrlich zur Schweizer Geschichte, die vergisst, dass die grösste Gefahr von den eigenen Leuten ausging. Während man Flüchtlinge an der Grenze zurückschickte und Jagd auf kleine Landesverräter machte, liess man Nazi-Agenten im eigenen Land frei gewähren und machte gute An- und Rüstungsgeschäfte mit dem Reich.

Krummenachers Film kann als Gegenstück, als freie Interpretation zum Dokumentarfilm aus den Siebzigerjahren gesehen werden. Dieselbe Geschichte wird neu erzählt, mit Krummenachers Handschrift. Als zentrales Element wählt er den Gesang. Nicht nur der tragische Held singt Klagelieder, sondern am Ende gar ganze Polizei- und Soldatenchöre. Der Gesang erscheint als Versuch, aus der eigenen Haut zu fahren, und ist im Rahmen von Schrämli Schicksal als Flucht zu deuten, wie sie die engstirnige Gesellschaft ihm vorgibt.

Viel Lob aus dem Publikum

Im anschliessenden Gespräch, das Urs Fink (SRG Schwyz) mit Michael Krummenacher, Stefan Gubser und Dimitri Krebs führte, erhielt der Film viel Lob aus dem Publikum. Insbesondere die traurige Aktualität, die der Film durch den Ukraine-Krieg und die wankelmütige Rolle der Schweiz erhielt, wurde angesprochen.

Michael Krummenacher schilderte, wie er sich während der jahrelangen Vorbereitungsphase bemühte, eine Zusammensetzung von Darstellerinnen und Darstellern mit «frischen Gesichtern» zu finden. Dazu gehörte auch das «Risiko», den Laien Dimitri Krebs für die Hauptrolle auszuwählen, was sich aber zweifellos als Glücksgriff erwies. Ebenso schilderte Krummenacher die teils schwierige Recherche in den Archiven und wie er im Verlauf der Zeit selbst zum «Historiker» geworden sei. Thematisiert wurde auch die Demokratie, die heute wie damals durch totalitäre Systeme bedroht wurde und wird. In diesem Zusammenhang wurde das Publikum, SRG-Vertreter auf die Wichtigkeit der Meinungs- und Medienvielfalt aufmerksam.

Auf dem Foto zu sehen ist das anschliessende Podium mit (v.l.n.r.) dem Regisseur Michael Krummenacher, dem Präsidenten der SRG Schwyz Urs Fink, dem Protagonisten Dimitri Krebs und dem Nebendarsteller Stefan Gubser. Copyright: Eugen vor Arb.

Der Text und das Foto von Eugen von Arb wurden im Einsiedler Anzeiger publiziert und der SRG Zentralschweiz von Urs Fink (SRG Schwyz) zur Verfügung gestellt.

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